In der Vergangenheit war die Betriebsprüfung geprägt davon, dass der Prüfer stichprobenartig Einzelbelege angefordert und akribisch geprüft hat. Doch die Zeiten haben
sich geändert: Wir geben einer Überblick über die neuen Prüfmethoden und die aktuellen Prüfungsschwer-punkte.
Auch beim Finanzamt hält das digitale Zeitalter Einzug: Heute versucht die Betriebsprüfung - zum Teil mittels Suchmaschinen und statistischer Auswertungen - Auffälligkeiten in der
Finanzbuch-haltung aufzuspüren und steuerliche Konsequenzen zu ziehen.
Neben diesem Methodenwandel ist bei den derzeit laufenden Betriebsprüfungen auch ein Wechsel der Themen festzustellen.
Das Finanzamt surft mit!
In der Vergangenheit war die Betriebsprüfung geprägt davon, dass der Prüfer stichprobenartig Einzelbelege angefordert und akribisch geprüft hat. Doch auch beim Finanzamt hält das digitale Zeitalter
Einzug: Heute versucht die Betriebsprüfung - zum Teil mittels Suchmaschinen und statistischer Auswertungen - Auffälligkeiten in der Finanzbuchhaltung aufzuspüren und steuerliche Konsequenzen zu
ziehen.
In der Praxis lässt sich feststellen, dass seitens der Betriebsprüfungverstärkt auch das Internet und andere Hilfsmittel zur Informationsbeschaffung genutzt werden. Die Beamten führen immer öfter
Internetrecherchen durch und beschaffen sich relevante Informationen z. B. aus Ad Hoc- und Pressemitteilungen, Presseberichten oder Veröffentlichungen auf der firmeneigenen Website. Insbesondere
Mitteilungen zu durchgeführten oder geplanten Umstrukturierungsmaßnahmen oder bestimmten Auslandsaktivitäten stehen dabei im Fokus und werden von der Betriebsprüfung dankbar aufgegriffen.
Nicht ganz neu ist zwar, dass die vorgelegten Jahresabschlüsse intensiv aufbereitet werden und die darin enthaltenen Informationen Ausgangspunkt für weitergehende Prüfungshand-lungen sind. Durch
BilMoG und die stetig zunehmenden Informations- und Angabepflichten (Anhang und Lagebericht) werden diese Aktivitäten aber tendenziell noch stärker zunehmen. Der Steuerpflichtige steht hierbei im
Spannungsfeld zwischen den Anforderungen des Abschlussprüfers nach umfassenden Angaben einerseits und dem Bestreben, den Betriebsprüfer nicht explizit auf mögliche steuerliche "Problemfälle" zu
stoßen.
Unser Tipp |
Bei den Angaben in Anhang und Lagebericht sollte darauf geachtet werden, dass die Formulierung sorgsam gewählt und mit der Steuerabteilung oder dem steuerlichen Berater abgestimmt wird. Eine Formulierung wie z.B. "im Geschäftsjahr wurde die gesamte Produktion nach Tschechien verlagert" führt nämlich ansonsten unweigerlich dazu, dass sich der Steuerpflichtige der Diskussion um eine Funktionsverlagerung ausgesetzt sieht (siehe hierzu auch nachfolgend Prüfungsschwerpunkte bei Auslandssachverhalten). |
Info |
Sieht sich der Steuerpflichtige aufgrund entsprechender Anwendung statistischer Testmethoden mit Manipulationsvorwürfen konfrontiert, sollte in jedem Falle eingehend geprüft werden, ob die Methoden sachgerecht angewandt wurden. Ferner bedeuten statistisch signifikante Ergebnisse nicht zwangsläufig, dass auch tatsächlich eine Manipulation vorliegt. Die Betriebsprüfer schießen hierbei offensichtlich gelegentlich auch mal über das Ziel hinaus, wie auch ein Urteil des FG Köln verdeutlicht (FG, Köln, Urteil v. 27.1.2009, 6 K 3954/07). Im zugrunde liegenden Fall hatte die Betriebsprüfung durch einen Zeitreihenvergleich Schwankungen beim Rohgewinnaufschlag festgestellt und nahm dies zum Anlass, die Buchführung zu verwerfen. Da die Betriebsprüfung allerdings keine relevanten Buchführungsfehler feststellte, sondern sich im Wesentlichen auf die Zeitreihenanalyse stützte, gab das FG den Klägern recht und verwarf seinerseits die Schätzung der Finanzverwaltung. |
Zeitnahe Betriebsprüfung
Der Wandel in der Betriebsprüfungspraxis beschränkt sich nicht allein auf die Einführung der digitalen Betriebsprüfung (GDPdU). Die Finanzverwaltung arbeitet bereits seit einiger Zeit an der
Umsetzung und Einführung der sog. zeitnahen Betriebsprüfung. Eine entsprechende Verlautbarung findet sich auch im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP. Während aktuell zum Teil 5 Jahre und mehr
zwischen Veranlagungszeitraum und Abschluss der Betriebsprüfung liegen, soll mit dem Mittel der zeitnahen Prüfung eine drastische Verkürzung des Abstands zwischen Veranlagungszeitraum und
Prüfung erzielt werden: Das Modell der zeitnahen Prüfung sieht vor, die Prüfung bereits vor Einreichung der endgültigen Steuererklärung durchzuführen. Hierdurch soll eine schnellere Rechts-
und Planungssicherheit gewährleistet werden und es für Unternehmen einfacher werden, auf einer gesicherten Grundlage mit ihren Banken Kreditgespräche zu führen und Unternehmensentscheidungen zu
treffen.
Ablauf der zeitnahen Betriebsprüfung
Das Modell der zeitnahen Betriebsprüfung sieht folgende Vorgehensweise vor: Zunächst werden die Steuererklärungen vorbereitet. Dann erfolgt eine Überprüfung der Steuererklärungen durch die
Betriebsprüfung. Nach Übernahme der vom Betriebsprüfer verlangten Korrekturen und Änderungen werden die nun endgültigen Steuererklärungen eingereicht und endgültig veranlagt. Für eine Veranlagung
unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, wie sie heute üblich ist, besteht somit künftig keine Notwendigkeit mehr, da die Steuererklärungen ja bereits geprüft sind.
Das Modell der zeitnahen Betriebsprüfung steht jedoch nicht jedem Unternehmen offen: Grundsätzlich richtet es sich an Unternehmen, die anschlussgeprüft werden, d.h. solche
Unternehmen, bei denen sich die zeitnahe Betriebsprüfung unmittelbar an eine bereits abgeschlossene "herkömmliche" Betriebsprüfung anschließt. Die Auswahl erfolgt bisher erfahrungsgemäß durch die
Finanzverwaltung.
Voraussetzung für die Teilnahme ist unter anderem, dass das zu prüfende Unternehmen seine steuerlichen Pflichten in der Vergangenheit ohne Beanstandung erfüllt hat. Grundlage der zeitnahen
Betriebsprüfung ist eine Vereinbarung zwischen der Finanzverwaltung und dem Steuerpflichtigen. In dieser Vereinbarung werden die Grundsätze zur Prüfungs-vorbereitung, zur
Prüfungsdurchführung, zur Auswertung der Prüfungsfeststellungen sowie der Zeitplan festgehalten. Der Wechsel zur zeitnahen Betriebsprüfung erfordert jedoch in einem ersten Schritt, dass die noch zu
prüfenden "Altjahre" aufgeholt werden. Gemeinsam mit der Finanzverwaltung muss hierzu ein Zeitplan erstellt werden, in dem festgehalten wird, in welchem Zeitraum die "Altjahre"
aufgeholt werden sollen.
Diese Vorgehensweise erfordert von beiden Seiten ein höheres Maß an Kooperation und gegenseitigem Vertrauen als bisher. Voraussetzung für die zeitnahe
Betriebsprüfung ist insbesondere die Abgabe einer sog. steuerlichen Selbstauskunft. Diese beinhaltet alle Angaben über Änderungen aus gesellschaftsrechtlicher und steuerlicher Sicht
(z. B. Gesellschafterwechsel), die Benennung prüfungsrelevanter Sachverhalte (z. B. Umstrukturierungsmaßnahmen oder Änderungen in den Rechtsbeziehungen zwischen konzernzugehörigen Unternehmen) sowie
zusätzliche Angaben in übrigen Fällen, die von steuerlicher Relevanz sind.
Die Finanzverwaltung verwendet vereinzelt auch eine sog. Positivliste der für die Durchführung der zeitnahen Betriebsprüfung steuerlich bedeutsamen Verträge und Unterlagen. Durch
diese steuerliche Selbstauskunft stellt das Unternehmen der Finanzverwaltung somit zu Beginn der Prüfung sämtliche aus seiner Sicht steuerlich relevanten Informationen und Unterlagen zur Verfügung.
Umgekehrt soll der Betriebsprüfer auch für aktuelle steuerliche Fragen als Ansprechpartner zur Verfügung stehen, ohne dabei allerdings in die Rolle eines Steuer-beraters zu schlüpfen.
Vor- und Nachteile der zeitnahen Betriebsprüfung
Die Vorteile der zeitnahen Betriebsprüfung für den Steuerpflichtigen liegen zum einen in einer erheblich schneller erzielbaren Rechtssicherheit und zum anderen in der Vermeidung oder
zumindest der Reduzierung von Zinsaufwand für Steuernachzahlungen bei berechtigten Beanstandungen oder Korrekturen durch die Betriebsprüfung.
Auf der anderen Seite darf man jedoch auch nicht verkennen, dass der Steuerpflichtige durch die umfassende Selbstauskunft sehr viele Informationen preisgeben muss. Dies dürfte zu
einem mitunter nicht unerheblichen Mehraufwand führen und schränkt darüber hinaus auch das "BP-taktische" Verhalten ein, da bestimmte Verhandlungsstrategien nicht mehr möglich
sind.
Dass die zeitnahe Betriebsprüfung dem Steuerpflichtigen nicht zwangsläufig zum Vorteil gereichen muss, sieht indes auch das FG Köln, indem es konstatiert: „Die belastende Wirkung einer
Anschlussprüfung verstärkt sich, wenn sie gegen den Willen des Steuerpflichtigen auf einen Besteuerungszeitraum verkürzt wird, so dass jährlich die Durchführung einer Betriebsprüfung erduldet werden
muss“ (FG Köln Beschluss v. 7.7.2009, 13 V 1232/09). Nach Auffassung des Gerichts ergeben sich vor allem bei einem der Anschlussprüfung unterliegenden Großbetrieb unabweisbar die Nachteile sich
jährlich wiederholender Prüfungen. Anders als etwa bei Mittel- und Kleinbetrieben könne die Verkürzung des Prüfungszeitraums eines Großbetriebs also nicht als nur vorteilhafte Maßnahme angesehen
werden. Es bedürfe daher jeweils der Abwägung der Vor- und Nachteile im Einzelfall.
Beispiel |
Die A-GmbH ist in der Automobilbranche tätig und unterliegt aufgrund der Unternehmens- größe einer regelmäßig stattfindenden steuerlichen Außenprüfung. Die letzte Betriebsprüfung umfasste die
Veranlagungszeiträume 1999 bis 2002, d.h. das letzte geprüfte Jahr ist 2002. Die Betriebsprüfung für die Jahre 2003 bis 2006 hat im November 2007 begonnen und wurde im April 2009 abgeschlossen. In
der bisherigen Betriebsprüfungspraxis würde die nächste Prüfung noch nicht stattfinden und erst viel später abgeschlossen werden. Mit dem Finanzamt könnte nun im Rahmen einer geplanten zeitnahen Betriebsprüfung folgender Zeitplan vereinbart werden: Die Betriebsprüfung für die Jahre 2007 und 2008 (Aufholungszeitraum) beginnt im Juni 2009 und wird idealerweise noch im Dezember 2009 abgeschlossen. Ab 2010 könnte dann mit der laufenden Betriebsprüfung "im Jahrestakt" begonnen werden. |
Wichtig |
Das Instrument der zeitnahen Betriebsprüfung befindet sich erst im Aufbau. In Nordrhein-Westfalen ist die Finanzverwaltung schon recht weit und setzt dieses Instrument bereits verstärkt ein. In den meisten Bundesländern findet die zeitnahe Betriebsprüfung noch keine Anwendung oder findet (z. B. in Hessen) erst vereinzelt statt. Der Prüfungsansatz gewinnt jedoch an Bedeutung und wird in Zukunft voraussichtlich auch häufiger angewandt werden. |
Prüfungsschwerpunkte bei Inlandssachverhalten
Nicht nur ein Methodenwandel ist bei den derzeit laufenden Betriebsprüfungen festzustellen, sondern auch ein Wechsel der Themen. Zwar werden nach wie vor die „Klassiker“ wie die
Kfz-Privatnutzung und die Verletzung der Aufzeichnungspflichten sowie die falsche steuerliche Behandlung von nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben abgeprüft. Diese stellen aber nicht mehr das
Hauptaugenmerk dar.
Messeveranstaltungen und Schulungen sind "BP-Klassiker"
Besonders im Zusammenhang mit Messeveranstaltungen und Vertriebsschulungen wird die Finanzverwaltung immer wieder fündig: Bewirtungen an Messeständen oder anlässlich von Tagungen selbstständiger
Händler unterliegen besonderen Aufzeichnungspflichten und werden nicht anerkannt, wenn sie nur auf einem Konto „Messekosten“ oder „Händlertagung“ in der Buchhaltung erfasst werden.
Die Betriebsprüfung geht hier oftmals sehr formalistisch vor und hat dabei leichtes Spiel, wenn die Aufzeichnungen nicht ordnungsgemäß geführt wurden. Im Zusammenhang mit diesem "Klassiker" ergibt
sich ein relativ neues Thema: die pauschale Versteuerung nach § 37b EStG. Diese Regelung zur Pauschalierung der Einkommensteuer bei Sachzuwendungen an Arbeitnehmer und
Geschäftsfreunde wurde durch das Jahressteuergesetz 2007 eingeführt. Mit § 37b EStG erhalten Steuerpflichtige die Möglichkeit, unter anderem Geschenke an Geschäftsfreunde pauschal zu
versteuern und hierdurch eine Besteuerung auf Ebene der Personen, die die Zuwendung erhalten haben, zu vermeiden. Da die Pauschalsteuer als Lohnsteuer gilt, wird dieses Thema regelmäßig im Rahmen von
Lohnsteueraußenprüfungen behandelt.
Wichtig |
Im Zusammenhang mit der Einführung des § 37b EStG sind viele Praxis- und Zweifelsfragen aufgetreten. Die Finanzverwaltung hat deshalb ein BMF-Schreiben hierzu veröffentlicht (BMF, Schreiben v. 29.4.2008, IV B 2 - S 2297-b/07/0001, BStBl 2008 I S. 566). |
Unser Tipp |
Unternehmen sollten bereits im Vorfeld von Beteiligungserwerben eine interne Bilanzierungsrichtlinie für die Kosten implementieren, die im Zusammenhang mit dem Kauf stehen. Diese Anweisung sollte vor allem definieren, ab welchem Zeitpunkt eine grundsätzliche Kaufentscheidung als getroffen gilt, da erst ab diesem Zeitpunkt überhaupt Anschaffungsnebenkosten entstehen können. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf ein Urteil des BFH hinzuweisen, in dem sich der BFH zur steuerlichen Behandlung von Gutachtenkosten im Zusammenhang mit der Anschaffung von GmbH-Geschäftsanteilen geäußert hat (BFH, Urteil v. 27.3.2007; VIII R 62/05, BFH/NV 2007 S. 1407). Zusätzlich sollte die interne Vorgabe bestimmen, welche Kosten einzeln zurechenbar sind. Aufbauend auf einer solchen Richtlinie sollte dann eine möglichst detaillierte Dokumentation des Beteiligungserwerbs erfolgen. Erfahrungsgemäß können Unternehmen dadurch ihre eigene Verhandlungsposition entscheidend stärken. |
Unser Tipp |
Bestehen Verlustvorträge, sollte über Verlustverwertungsstrategien nachgedacht werden, um die Grenzen der Mindestbesteuerung optimal nutzen zu können. Ist eine Anteilsveräußerung geplant, sollte dies ebenfalls rechtzeitig berücksichtigt werden, um entsprechende Maßnahmen zur Verlustnutzung ergreifen zu können. Durch geschickte und vorausblickende Gestaltung kann i. d. R. ein bestehender Verlustvortrag zumindest teilweise "gerettet" werden. |
Unser Tipp |
Die Finanzverwaltung hat zu den Nachweispflichten bei innergemeinschaftlichen Lieferungen ein umfangreiches BMF-Schreiben veröffentlicht (BMF, Schreiben v. 6.1.2009, IV B 9 - S 7141/08/10001, BStBl II 2009 II S. 60). Trotz begrüßenswerter Klarstellungen sind auch weiterhin einige praxisrelevante Fragestellungen offen. Darüber hinaus vertritt das BMF hinsichtlich des Buch- und Belegnachweises eine sehr restriktive, über das Ziel hinausgehende Auffassung. Der BFH hat sich in seiner jüngsten Rechtsprechung allerdings ausdrücklich gegen die Finanzverwaltung gestellt (vgl. BFH, Urteil v. 23.4.2009, V R 84/07; BFH, Urteil v. 12.5.2009, V R 65/06 und BFH, Urteil v. 28.5.2009, V R 23/08; alle Urteile sind bislang noch nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht). |
Wichtig |
Es ist damit zu rechnen, dass durch die Umsetzung des Mehrwertsteuerpakets ab dem 1.1.2010 schwerpunktmäßig die "Übergangszeit" von altem zu neuem Recht geprüft wird. Hierbei dürften insbesondere die umsatzsteuerliche Behandlung von Teilleistungen und Anzahlungen im Fokus stehen. |
Wichtig |
Generell hat die Betriebsprüfung mehr denn je ein Auge auf Rechtsbeziehungen mit ausländischen verbundenen Unternehmen. Die Fallstricke sind vielfältig und oft droht die Doppelbesteuerung im Ausland. Drohende Steuernachzahlungen lassen sich nur vermeiden, wenn die aktuellen Rahmenbedingungen bekannt und entsprechende Strategien entwickelt werden. |