Nach § 371 AO tritt Straffreiheit ein, wer
unrichtige oder unvollständige Angaben bei der Finanzbehörde berichtigt
oder ergänzt sowie unterlassene Angaben nachholt und die zu seinen
Gunsten hinterzogenen Steuern innerhalb der ihm bestimmten angemessenen
Frist entrichtet. Für ein erfolgreiches Vorgehen sind also eine Menge
von Voraussetzungen zwingend zu erfüllen, selbst wenn es terminlich eng
werden sollte:
- Die Selbstanzeige muss vollständig
sein und über die Angaben das Finanzamt in die Lage versetzt werden,
ohne weiteren Aufwand geänderte Steuerbescheide erlassen zu können.
- Die Nachmeldung hat beim zuständigen Wohnsitz-Finanzamt
zu erfolgen, nicht hingegen bei der Staatsanwaltschaft. Wendet sich der
Anleger an eine unzuständige Behörde, wird die Selbstanzeige erst dann
wirksam, wenn sie in den Bereich der Finanzverwaltung gelangt.
- Notwendig sind also genaue Zahlenangaben
über die bislang nicht deklarierten Kapitaleinnahmen und
Spekulationsgewinne nebst den einbehaltenen Steuerabzugsbeträgen
(ausländische Quellensteuer, deutsche Kapitalertragsteuer auf
Dividenden oder die Steuer im Rahmen der EU-Zinsrichtlinie) - und dies
für alle noch nicht verjährten Zeiträume. Hilfreich sind hier
Erträgnisaufstellungen für die bei Steuerhinterziehung auf zehn Jahre
verlängerte Festsetzungsfrist.
- Sofern es zeitlich knapp
wird, weil z.B. eine Außenprüfung oder Steuerfahndung bevorsteht oder
die Schweizer Daten auf der CD in Kürze ausgewertet werden, ist die
Selbstanzeige zunächst mit einer Schätzung hilfreich,
soweit die konkreten Kapitaleinnahmen noch nicht vollständig zur
Verfügung stehen. Eine spätere Korrektur einer zu hohen Schätzung ist
ohne Weiteres möglich. Eine freie oder griffweise Schätzung reicht aber
nicht aus (FG Düsseldorf, Urteil vom 3.12.2007, 16 K 458/05 E, G).
- Durch die Selbstanzeige ergeben sich meist inklusive der Steuerzinsen meist größere Nachzahlungsbeträge. Die erforderlichen Gelder müssen rechtzeitig flüssig gemacht werden, etwa durch Kündigung von Festgeld oder den Verkauf von Depotwerten.
- Geht
es um schwarze Gelder auf Gemeinschaftskonten von Ehegatten,
Erbengemeinschaften oder anderen Gesellschaftern, handelt es sich um mehrere Tatbeteiligten.
Die müssen alle gleichzeitig und dann auch noch oft bei völlig
unterschiedlichen Finanzämtern Selbstanzeige erstatten. Meldet sich nur
eine Person, gilt die Tat bei den anderen automatisch als entdeckt,
sodass eine Selbstanzeige bei ihnen keine strafbefreiende Wirkung mehr
entfaltet.
- Lagen die Schwarzgelder im Nachlass,
ist der Erbe ist verpflichtet, sowohl das Kapitalvermögen bei der
Erbschaftsteuererklärung anzugeben als auch die ehemaligen
unvollständigen Einkommensteuererklärungen des Verstorbenen zu
berichtigen. Für die Sünden des Erblassers bedarf es jedoch keiner
Selbstanzeige, da es insweit beim Rechtsnachfolger nicht zu einer
Bestrafung kommt.
Hinweis:
Nach dem das Strafverfahren beherrschenden Legalitätsprinzip sind
die Strafverfolgungs-behörden grundsätzlich berechtigt und verpflichtet,
nach Eingang einer Selbstanzeige ein Strafverfahren zum Zwecke der
Prüfung der Straffreiheit gem. § 371 Abs. 1 und 3 AO einzuleiten. Eine
derartige Strafverfahrenseinleitung hemmt den Anlauf der Frist zur
Festsetzung von Hinterziehungszinsen (BFH, Urteil vom 29.4.2008, VIII R
5/06, BStBl 2008 II S. 844). Insoweit kann es im Nachhinein also dazu
kommen, dass wider Erwarten wegen formaler Fehler keine Straffreiheit
eintritt.
Formale Voraussetzungen einer Selbstanzeige
§ 371 AO gibt keine Vorgaben zur notwendigen
Form einer Selbstanzeige, daher kann sie sowohl schriftlich als auch
mündlich abgegeben werden. Allerdings empfiehlt aus Beweisgründen die
Schriftform.
Die
Selbstanzeige muss als solche nicht bezeichnet werden, kann völlig
neutral abgefasst sein und braucht keine Selbstbezichtigung zu
enthalten BGH, Urteil vom 13.10.1992, 5 StR 253/92, NJW 1993, 742). In
der Praxis wird oftmals einfach die Form der Abgabe korrigierten Steuererklärungen nebst Auflistung der Kapitalerträge und Steuerabzugs- beträge gewählt.
Von der Selbstanzeige können alle Teilnehmer an der
Tat, also neben dem Hinterzieher auch Anstifter oder Gehilfen Gebrauch
machen. Erstattet lediglich ein Mittäter oder der Gehilfe
Selbstanzeige, beschränkt sich die strafbefreiende Wirkung nur auf ihn.
Das bringt dem Täter den Nachteil, dass nunmehr auch seine Tat dem
Finanzamt nicht mehr verborgen ist und damit ein Ausschlussgrund der
Wirksamkeit einer jetzt auch von ihm erstatteten Selbstanzeige
entgegensteht. Mehrere Betroffene sollten sich also vorher gemeinsam
über ihr weiteres Vorgehen abstimmen.
Die Selbstanzeige braucht nicht zwingend eigenhändig
vollzogen zu werden, denn auch eine Vertretung durch Angehörige der
steuer- und rechtsberatenden Berufe ist möglich und in der Praxis für
die Mehrzahl der Fälle auch sinnvoll. Die Bevollmächtigung des Experten
muss dabei ausdrücklich auch die Erstattung der Selbstanzeige umfassen.
Nicht ausreichend sind sowohl eine nachträgliche Genehmigung als auch
das bloße Bestehen eines Steuerberatungsverhältnisses.
Die Festsetzungsfrist verlängert sich bei
Steuerhinterziehung gem. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO von vier auf zehn
Jahre. Hierdurch soll es dem durch eine Steuerstraftat geschädigten
Fiskus ermöglicht werden, die ihm vorenthaltenen Steuerbeträge auch
noch nach Ablauf von vier Jahren zurückzufordern (BFH, Urteil vom
26.2.2008, VIII R 1/07, BStBl 2008 II, 659). Nicht mehr nachzumelden
sind daher lediglich die Sünden verjährter Steuerjahre. Da die Frist
für den jeweiligen Veranlagungszeitraum erst mit Abgabe der jeweiligen
Erklärung und damit frühestens im Folgejahr begonnen hatte, lassen sich
noch eine Reihe von alten und bereits bestandskräftigen
Steuerbescheiden gemäß den nachgemeldeten Angaben nach oben korrigieren.
Beispiel:
Ein Anleger hat 1999 Zinsen aus einem Konto in Zürich nicht
angegeben. Die Steuererklärung reichte er dem Finanzamt im Januar 2001
ein. Die zehnjährige Frist beginnt an Neujahr 2002 und endet erst mit
Ablauf von Silvester 2011. Sofern sich die Steuerhinterziehung
fortgesetzt hatte, muss die Selbstanzeige also die Jahrgänge 1999 bis
2008 umfassen.
Hinweis:
Die verlängerte Festsetzungsfrist greift nicht, wenn es z.B.
aufgrund von anzurechnender Quellen- oder Kapitalertragsteuer insgesamt
zu einer Erstattung kommt. Denn die Fristverlängerung dient nicht dazu,
den Steuerhinterzieher in die Lage zu versetzen, Erstattungsansprüche
über die reguläre Verjährungsfrist hinaus zu realisieren. Unehrliche
Stpfl. dürfen nicht ohne sachlichen Grund günstiger gestellt werden als
redliche Personen BFH, Urteil vom 23.4.2009, VIII R 6/08, BFH/NV 2009,
1397). Daher setzt die Zehnjahresfrist in § 169 Abs. 2 Satz 2 AO einen
hinterzogenen Betrag im Sinne eines Anspruchs des Fiskus auf eine
Abschlusszahlung voraus, der wegen einer vollendeten
Steuerhinterziehung bislang nicht geltend gemacht werden konnte.
Ausschluss der Strafverfolgung
Über die erfolgreiche freiwillige
Selbstanzeige geht der Sünder in Hinsicht auf die nachgemeldeten Taten
straffrei aus, muss sich also weder dem Gericht stellen, noch Geldbußen
zahlen.
Anders als die Verjährungsfrist im Steuerrecht sind es nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB bei der Strafverfolgung für Steuerstraftaten
nur fünf Jahre. Insoweit würde es also ausreichen, die Nachmeldung auf
diesen Zeitraum zu beschränken. Denn die Jahre zuvor lösen insoweit
keine strafrechtlichen Konsequenzen aus, die Selbstanzeige hat keine
Wirkung mehr.
Dennoch sollte die Nachmeldung von Vorneherein auf die Zehn-Jahres-Frist
ausgelegt sein, damit das Finanzamt die Steuern nacherheben kann. Die
Behörde würde ohnehin nach den länger zurückliegenden Sünden der
Vergangenheit fragen.
Durch eine Änderung im Jahressteuergesetz 2009 gilt die verlängerte Verfolgungs-verjährung von zehn Jahren in § 376 AO für besonders schwere Fälle der Steuerhinter-ziehung gem.
§ 370 Abs. 3 AO auch bei der Strafverfolgung für Steuerstraftaten, die
am 25.12.2008 noch nicht verjährt waren. Unter Berücksichtigung von An-
und Ablaufhemmungen nach §§ 170 und 171 AO können hinterzogene Steuern
im Einzelfall auch noch nach mehr als zehn Jahren festgesetzt und
erhoben werden. Die allgemeinen Regelungen des StGB mit der Folge einer
grundsätzlich fünfjährigen Verfolgungsverjährungsfrist nach § 78 Abs. 3
Nr. 4 StGB bleiben allerdings weiterhin fü r "einfache" Steuerhinterziehung, wozu im Allgemeinen nicht erklärte Schwarzgelder auf Auslandskonten gehören.
Hinweis:
Das Strafmaß für Steuerhinterziehung hat sich deutlich verschärft,
sodass eine Selbstanzeige umso mehr lohnt. Das resultiert aus
BGH-Entscheidungen (vom 2.12.2008, 1 StR 416/08, BStBl 2009 II S. 934
und vom 30.4.2009, 1 StR 342/08), wonach Betroffene bei hinterzogenen
Steuern in Millionenhöhe in aller Regel nicht mehr auf Bewährung davon
kommen.